U.S.A. 1998
Schüleraustausch Bensheim - Memomonee Falls
Altes Kurfürstliches Gymnasium - Menomonee Falls High School
20.09.1998 - 09.10.1998

Aufbruch in die Neue Welt oder: Amerika für Anfänger

Am Morgen des 16. September 1998 traf sich die Austauschgruppe Amerika mit 30 Mann am AV-Markt, hochbepackt, die Neue Welt zu erkunden. Der Besuch unserer Partnerschule in Wisconsin war eine Erwiderung auf deren Besuch im Juni '98 bei uns. Voller Vorfreude auf das neue Land und nicht zuletzt auch auf das Wiedersehen mit unseren Partnern fuhren wir mit einem Reisebus zum Flughafen Frankfurt, ein Luxus, wie wir später feststellen sollten.
Von Frankfurt aus flogen wir über Cincinnati nach Chicago O'Hare, ein neunstündiger Flug, sieben Zeitzonen westwärts. Hier erlebten wir dann als erstes die amerikanischen Schulbusse, die – schlecht gefedert und gepolstert – über die Highways holperten, uns aber noch (mit unserem "privaten" Fahrer Russ) auf vielen Ausflügen dankbare Dienste leisten sollten.
Nach dreistündiger Fahrt erreichten wir die Menomonee Falls High School, wo wir von unseren Gastschülern mit ihren Familien herzlich begrüßt wurden.
Nach dem freudigen Wiederbegrüßen der Gastschüler und Kennenlernen der Gasteltern ging es ab nach Hause – jedenfalls für die nächsten zwei Wochen unser Zuhause –, um sich dort erst einmal vom Jetlag (der Verschiebung der inneren Uhr) zu erholen, kurz: schlafen.
Das mußte auch sein, denn am nächsten Morgen hieß es: Schule mit den Gastschülern, also um 7:20 Uhr Schulbeginn. Die Wege dorthin wurden unterschiedlich zurückgelegt: mit dem Auto (fast jeder Amerikaner über 16 Jahre hat den Führerschein und ein eigenes Auto), mit dem Schulbus (diese fahren durch fast alle Straßen von Menomonee Falls und sammeln an jeder Straßenecke einige Schüler ein) oder - wer ganz nah wohnt - zu Fuß (das kommt aber sehr selten vor, da Amerikaner jede noch so kurze Strecke motorisiert zurücklegen).
Wir wurden vom Direktor der Schule, Mr Woosencraft und von Carolyn Schellhaas, der amerikanischen Organisatorin, begrüßt. Wir bekamen Zettel und Listen mit Namen und Programmen für die nächsten zwei Wochen ausgehändigt und wurden anschließend von Schülern durch das Schulhaus geführt. Schon beim ersten Kennenlernen des großen viereckigen Gebäudes, ideal zum Verlaufen, fiel uns auf, wie anders Schulräume, Bibliotheken im Vergleich zu den deutschen Schulen waren.
Ab der zweiten Stunde hatten die Deutschen mit den Amerikanern zusammen Unterricht.
Das System der High School erinnert an unsere Oberstufe, die Schüler sind in Kursen, die sie am Anfang des Schuljahres wählen. Sie haben jeden Tag die gleiche Reihenfolge der Stunden, und wechseln in jeder Stunde den Raum, wobei jeder Lehrer einen eigenen Saal hat. Der Unterricht läuft (bei den meisten Lehrern) anders ab als bei uns: der Lehrer stellt sich vor die Klasse und trägt den Stoff der Stunde vor, beantwortet sich seine Fragen selber und geht wenig auf die Schüler ein, die sich eher passiv verhalten. In den meisten Fächern wird jede Stunde ein Quiz, eine schriftliche Kontrolle der Leistungen, geschrieben, die dann bei der Endbewertung wie bei uns die mündliche Mitarbeit gilt.
Die Schüler haben jeden Tag acht Stunden plus Mittagspause, die in zwei Schichten zwischen der fünften und sechsten Stunde stattfindet. Hier können sie entweder den (staatlich geförderten) School Lunch zu sich nehmen, sich selber etwas mitbringen oder außerhalb essen.
Das waren unsere ersten Eindrücke vom amerikanischen Bildungssystem, wobei wir allerdings nicht den ganzen Tag in der Schule verbrachten, sondern nachmittags Ausflüge oder Besichtigungen unternahmen.
Wir besuchten das YMCA, ein großes Fitneßzenter, wo wir verschiedene Aktivitäten wie Basketball, Volleyball, Schwimmen etc. ausprobierten konnten.
Weitere Ausflüge brachten uns die Wisconsin Dells näher, ein großes Naturschutzgebiet mitten im Bundesstaat Wisconsin, wo wir einen Bootstrip machten, wir fuhren ins interessante Milwaukee Public Museum, wo alles von der Steinzeit über die indianischen Ureinwohner bis hin zum mittelamerikanischen Regenwald dargestellt wurde. Wir besichtigten die Harley Davidson Motor Factory, das Museum of Science & Industry und den Sears-Tower in Chicago, das Police Headquarter, die Greek-orthodoxian Church von F. Lloyd Wright, dem Erbauer des Guggenheim Museums in New York und vieles mehr.
Wichtig waren auch die Fahrten in die verschiedenen Malls (Einkaufszentren) und besonders in die Factory Outlet Malls, wo es Markenkleidung zu viel günstigeren Preisen als bei uns in Deutschland gibt, so daß manche von uns Bedenken hatten, ihren Koffer wieder schließen zu können.
Ganz wesentlich für die Amerikaner ist der Sport. Die Schule selber hat riesige Sportflächen und ein eigenes Footballstadion, wo freitags Spiele der Schulmannschaft stattfinden, immer ein großes Ereignis, wie wir selbst festgestellt haben. Desweiteren gibt es Volleyball, Fußball, Tennis, Leichtathletik, Schwimmen und einiges mehr. Wir besuchten auch ein Baseballspiel der Milwaukee Brewers, der nahen Profimannschaft, zu dem uns eine Mutter Freikarten besorgt hatte.
Ab und zu trafen wir uns bei dem einen oder der anderen Amerikaner(in) oder gingen gemeinsam ins Kino oder zum Bowling. Für viele wird auch das Mock Thanksgiving Dinner (vorgezogenes Erntedankfest) mit Pumpkin Carving (Halloween-Kürbis-Schnitzen) in Erinnerung bleiben.
Allzuschnell mußten wir Abschied feiern. Wir packten unsere Koffer, soweit möglich (einige packten ihre Sachen in zusätzlich gekaufte Taschen oder schickten sie sich gleich per Post nach Hause), dann ging es frühmorgens los zum Flughafen nach Chicago. Es flossen viele Tränen, der Abschied fiel schwer. Manche schmiedeten schon Pläne für ein baldiges Wiedersehen, für viele Amerikaner war es vielleicht der letzte Kontakt mit der Alten Welt, da für viele eine Reise nach Europa unerschwinglich ist. Ein letztes Umarmen und wir versuchten, unsere Gedanken auf unser nächstes Ziel eine Zeitzone ostwärts, Boston, zu konzentrieren.
Von der dortigen Jugendherberge waren wir etwas enttäuscht, doch die drei abwechslungsreichen Tage in Neu-England ließen uns die primitive, ungepflegte Unterkunft schnell vergessen. Ein etwa dreistündiger Spaziergang mit Führung über den Freedom-Trail (historisch sehr interessant), der Besuch des Museum of Science (technisch sehr interessant), der Besuch des Kennedy Museums (kulturell sehr interessant) sowie des Hancock Towers etc. ließen uns abends todmüde ins Bett fallen. Frühstück gab es im benachbarten Dunkin Donut, wofür wir von der Herberge Essensmarken bekommen hatten, die restlichen Mahlzeiten besorgen wir uns selbst, aber das war leicht, da es viele günstige Fast Food-Restaurants gab, die eine große Auswahl an reichhaltigen Speiseangeboten hatten.
Schnell waren die Tage in Boston vorbei, und wir genossen die Fahrt mit dem Amtrak, einem schnellen Überlandzug, durch Neu-England nach New York.
Der Indian Summer präsentierte sich uns in seinen Anfängen und wir erholten uns ein wenig vom Sightseeing in Boston.
In New York waren wir in einem sehr schönen und auch sehr zentralen Hotel, dem Seafarer's Inn am Union Sqare untergebracht. So konnten wir viele Strecken zu Fuß zurücklegen. Wir bekamen eine Metrocard zum Fahren mit der U-Bahn und konnten so sehr preisgünstig und schnell von einer Sehenswürdigkeit Manhattans zur anderen kommen.
Die Führung durch das Gebäude der United Nations war für alle eindrucksvoll, abends besuchten wir die verschiedenen Stadtviertel wie Soho, China Town, Little Italy und genossen den Sonnenuntergang über der Skyline der Wolkenkratzer beim Spaziergang über die Brooklyn Bridge. Auch hier versorgten wir uns selber, aber wir hatten Empfehlungen für günstige Pizzerien oder andere Restaurants, so daß jeder seinem Geldbeutel und Geschmack angemessen essen konnte.
Wir fuhren ein letztes mal mit U-Bahn und Bus zum Flughafen, von wo wir nach langen drei Wochen, die aber den meisten trotzdem zu kurz erschienen, wieder sechs Zeitzonen ostwärts flogen, der Heimat entgegen.
Außerdem wollen wir auf diesem Wege noch einmal den Organisatoren Herrn und Frau Dennhardt und ganz besonders Herrn Hoffmann danken, die diese Reise so angenehm und abwechslungsreich gestaltet haben, und ohne die dieser Austausch gar nicht denkbar gewesen wäre

Arne Pottharst, Oktober 1998

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